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Waffen als Ursache oder Auslöser von Aggression und Gewalt?

Nachdem dargelegt wurde, wie Aggressionen entstehen können, sollen Zusammenhänge von Waffen und Aggressionen dargestellt werden.

Annahme: Aggressionen ziehen den Waffengebrauch nach sich

Ausgangspunkt sei eine Aggression im Sinne einer Energie, die ähnlich wie der Wasserdampf in einem Kessel, abgelassen werden muß. Gewöhnlich explodieren Menschen und werfen Gegenständen an Wände, zerschmettern Geschirr oder suchen sich andere Ersatzobjekte. Aggression wird in Zerstörungstätigkeiten ausgelebt. Diese Reaktion kann nachempfunden werden, weil sie von fast jedem erlebt wurde. Nur Selbstbeherrschung oder bestimmte Verarbeitungsstrategien halten viele Erwachsene von solchen Reaktionen ab.

Auch Kinder haben Wut und sind dann aggressiv. Ursachen dafür können sein: erlebte Geburtstraumata, Trennungsängste, die Eltern zu Feinden werden lassen und Haß vom Kinde aus entsteht, Frustrationen, hervorgerufen durch notwendige Erziehungsmaßnahmen und Reglementierungen der Eltern. Eigene Schwächen und Probleme, erlebte Gewalt, Ohnmachtserfahrungen und Ängste. Die Liste ist unvollständig und kann beliebig fortgesetzt werden (vg.[23]). Fest steht jedoch, daß Wut- und Rachegefühle jedes Kind erlebt. Aber wie es diese erlebten Frustrationen zum Ausdruck bringt, das dürfte von Kind zu Kind verschieden sein.

Da Kinder sehr ehrlich und direkt sind im Umgang mit Gefühlen, kann es sein, daß manche von ihnen ihre Rachegefühle mit Waffen zum Ausdruck bringen. Wenn dem Kind der Besitz von Waffen verboten ist, so benutzt es dann andere Gegenstände als Waffen (Stöcke, Bananen), bastelt sich welche oder leiht sie aus.

Wieder andere ziehen es vor, im Spiel Heldenfiguren mit Waffen an ihrer Stelle einen Kampf austragen zu lassen, da diese sich gegen Bedrohungen wehren können.

...Es geht ihnen in erster Linie gar nicht darum, andere Menschen wirklich zu verletzen oder gar zu töten. Auch wenn der Wunsch dazu z.B. in der Art einer Rachephantasie vorhanden sein mag ...([23], S.137). Vielmehr ist die Wahl martialischer Mittel Symptom für inneren Unfrieden, kann Demonstration für das Ausmaß erlebter Ängste sein.

Nach Büttner suchen sich Kinder Klischees und Symbole, die ihrem inneren Unfrieden entsprechen. Waffen sind also Ausdruck für erlebte Gewalt, die sich in Aggressionen niederschlagen kann; und gleichzeitig können Waffen Ausdrucks- Mittel für Aggressionen sein, also Aktionsmöglichkeiten, um Aggressionen und Gewalt auszuleben.

Es scheinen aber auch Zusammenhänge zwischen häuslichen Lebensverhältnissen und Spielzeugwahl, bzw. Spielverhalten zu existieren. ...daß Kinder, die von sich aus häufig zu Kriegsspielzeug greifen, in von Gewalt und offener Brutalität geprägten Lebensverhältnissen aufwachsen. Die häuslichen Verhältnisse entsprechen also ihrem Spielverhalten und ihrer Spielzeugwahl ...([46], S.77. Auch diese Feststellung darf nicht verallgemeinert werden, da dies einer Klischeevorstellung entspricht und die Folgerung nach sich zieht, daß alle Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen zwangsweise Kriminelle oder Gewalttätige werden würden. Dennoch besteht die Möglichkeit, daß vorgelebte Gewalt und Brutalität im familiären Bereich als Aggression empfunden wird. Diese könnte ebenfalls wieder kurzfristig Gewalt nach sich ziehen und auch mit Waffengewalt zum Ausdruck gebracht werden, je nach Bewältigungsart. Abschließend muß aber festgestellt werden, daß also Aggressionen nicht allein dafür verantwortlich gemacht werden könne, daß Kinder zu Waffen oder Kriegsspielzeug greifen. Die Annahme, daß Aggressionen den Waffengebrauch nach sich ziehen ist nur in eingeschränkt, und nicht notwendigerweise, richtig.

Annahme: Waffen sind Auslöser/Ursache für Aggressionen

In der Öffentlichkeit kursieren Meinungen wie diese:

...Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. vertritt die Auffassung, ...Kriegsinstrumente wie Panzer, Bomber oder Raketen, in ansprechenden Farben ...angeboten, verzerren die Kriegswirklichkeit und unterstützen bei Kindern die Einstellung, daß Konflikte gewaltsam gelöst werden müssen ...Kriegsspielzeug ...fördert die Bereitschaft zu scheinbar folgenlosem aggressiven Verhalten ...(aus[63].

In der Broschüre ''Augen auf beim Spielzeugkauf''des Stadtjugendamtes München, wird auf die Gefahr des Kriegsspielzeugs als Konfliktlösungsmittel hingewiesen: ... Kriegsspielzeug produziert von sich aus keine Gewalt, aber es vermittelt, daß es nur ein Mittel der Konfliktlösung gibt, nämlich Gewalt.([81]).

Untersuchungen hierüber gibt es von Seymour Feshbach, Alfonso Villar, den Pädagogen Alicia Mendoza und Ch.W.Turner, sowie Diane Goldsmith. Ihre Ergebnisse sind bei ([70]) dargelegt:

Interpretationsversuche hierfür gaben z.B. Goldsmith und Turner:

Klassisches Konditionieren
Kinder sehen beispielsweise im Fernsehen aggressive Handlungen in Verbindung mit Waffen. Werden sie mit Waffen konfrontiert, dann assoziieren sie Aggressionen. Die Waffen können also als sog.''retrival-cue'', als Eselsbrücke für aggressive Handlungen fungieren.

Imitationslernen
Kinder ahmen die als erfolgreich beobachteten Modelle nach. Als Modelle dienen z.B. Kriegsszenen, Filmhelden, gewalttätige Erwachsene etc..

Selbstnachahmungshypothese
Zunächst ahmen Kinder themenbezogenes Verhalten nach; beispielsweise schießen sie mit einem Schießgewehr. Anschließend dient dieses Verhalten wieder als Reiz für weitere Aggressionen, die nicht themabezogen sein müssen.

Kroner vertritt die Meinung, daß Waffen eindeutig Gewalthandlungen wie Kämpfen, Stechen, Schlagen, Schießen verlangen. ...Das ästhetische Objekt ''Pistole''legt fest, was seine Aussage und vor allem die Formen betrifft, wie man sich damit bewegt, sich darstellt. Es sind Gesten der Gewalt, bedrohende Gesten, die Angst und Gehorsam herausfordern ... ([70],S.116).

Diese Auffassung kann nach Meinung der Verfasserin nicht geteilt werden: Ein Kind wählt stets sein Spielzeug gemäß einem inneren Bedürfnis aus. Ein Kind, welches keinen Umwelteinflüssen ausgesetzt wäre, würde die Waffe nicht automatisch aggressiv anwenden, da es die damit verbundenen Verhaltensmuster nicht kennt. Hingegen sind entsprechend der Lerntheorie die gewalttätigen Vorbilder und deren modellhafter Umgang mit Waffen weitaus gefährlicher als die Waffe per se als Objekt.

Abschließend kann also festgehalten werden, daß Kriegsspielzeug und Waffen das Auftreten unangemessener, aggressiver Verhaltensweisen kurzfristig verstärken, sie aber letztlich nicht verursachen. Diese Verhaltensweisen setzen sich gemäß der Lerntheorie im Verhalten der Kinder fest, abhängig von der Häufigkeit des Angebots (vgl.[70], S.108f).

Annahme: Das Spiel mit Waffen hat positive Wirkung

Christian Büttner vermutet, daß durch das Spiel mit Waffen eine positive Wirkung in der Art herbeigeführt werden kann, daß aggressive Spannungen im Phantasiespiel gebunden werden (bei[59], S.59). Beispiel: ...In einer konfessionellen Kindertagesstätte waren bisher, vor allem zu Fasching , Revolver und andere ''Mordgeräte'' erlaubt.(...) Als eine neue Leiterin die Tagesstätte übernahm, führte sie ein striktes Waffenverbot ein. Sie hatte dabei die Unterstützung der Eltern und die(...) der Mitarbeiterinnen. Nach kurzer Zeit begannen sich jedoch gewaltsame Konflikte zwischen den Kindern mit z.T. ernsten Verletzungen zu häufen. Das ehemals friedliche Gesamtklima in der Kindertagesstätte war einer aggressiven Spannung zwischen Kindern und Erwachsenen gewichen. Es konnte erst wieder verbessert werden, nachdem in einer Beratung (...) die Bedeutung der Spielhandlungen (...) klar wurde, und zwar als Verarbeitungsversuch von Angst in der ''ungefährlichen'' Probehandlung der (Spiel)-Phantasie. Heute sind zwar Spielzeugwaffen in diesem Kindergarten wieder erlaubt. Die Mitarbeiterinnen konnten aber die (Beziehungs-)Verhältnisse so weit verbessern, daß es nur noch selten zu''Schießereien''kommen muß ...([24], S.32).

Durch das Waffenverbot steigerten sich aggressive Spannungen, die in Gewalthandlungen mündeten. Dies ist ein Beweis dafür, daß Waffen nicht Gewalt verursachen und auch nicht auslösen. Denn in diesem Beispiel wurden infolge schwieriger Beziehungs-Verhältnisse die Aggressionen verursacht und kamen spontan in Gewalthandlungen zum Ausdruck. Wären Waffen vorhanden gewesen, dann hätten die Kinder die Möglichkeit gehabt, ihre Aggressionen in ''als-ob- Spielen'' auszuleben.

Auch Bruno Bettelheim bewertet beispielsweise Schießspiele nicht als zukunftsweisend, wie von vielen befürchtet, sondern er meint: ...Schießspiele liefern Ventile für angehäufte Frustrationen und können sie daher reduzieren ...([11], S.233).

Zusammenfassung

Waffen oder Kriegsspielzeug verursachen zwar nicht Aggressionen, sie begünstigen aber eine aggressive Verarbeitung von bereits bestehenden Konflikten (vgl.[69], S.30ff.

Kinder lernen im Spiel, gesellschaftliche Normen zu übernehmen. Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie auch im Waffenspiel die Norm Gewalt internalisieren. Gemäß den Erklärungsmodellen der Lerntheorien und des klassischen Konditonierens verleiten Gewaltdarstellungen jeder Art zu aggressiven Handlungen. Diese Handlungen müssen nicht mit Waffen zum Ausdruck gebracht werden, da jedes Kind andere Bewältigungsstrategien aufweist. Waffen als Objekte lösen nur in Verbindung mit beobachteten Verhaltensweisen möglicherweise Aggressionen aus. Waffenspiele können Aggressionen binden und zu einer momentanen Entspannung beim Kind führen.


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