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Mögliche Ursachen von Aggression und Gewalt

Es gibt noch immer keine eindeutige und monokausale Erklärung für das Zustandekommen von Aggressionen, aber viele Spekulationen wie etwa die, daß ''homo homini lupus'', der Mensch sich anderen Menschen gegenüber wie ein Wolf verhält, er quasi als Bestie notwendigerweise Aggressionen an den Tag legt und somit Aggressionen unabänderlich sind. J.J.Rouesseau glaubt hingegen an das Gute im Menschen, schwärmt vom ''edlen Wilden'' und meint, daß Aggressionen erst durch Territorialansprüche in die Welt gekommen seien (vgl.[94], S.18). Sigmund Freud spricht im Jahr 1930 von einer angeborenen Neigung des Menschen zum Bösen, zur Aggression, Destruktion und Grausamkeit (vgl.[94], a.a.O.). In der Literatur kristallisieren sich 3 große aggressionstheoretische Modelle heraus: Triebtheorien, Frustrationstheorien und Lerntheorien.

Psychoanalytische Auffassung nach Freud: Triebtheorie

Freud nahm als Quelle der Aggression sogenannte Triebe an. ... daß die Triebe des Menschen von zweierlei Art sind, entweder solche, die erhalten und vereinigen wollen, wir heißen sie erotische ...oder sexuelle -und andere , die zerstören und töten wollen. Wir fassen diese als Aggressionstrieb oder Destruktionstrieb zusammen ...(zit. bei [46]). Den Aggressionstrieb sieht er als einen nach außen gerichteten Todestrieb, der als Ziel die Zerstörung eines Objektes hat. Dieser sei angeboren und ihn besäßen alle Lebewesen, Mensch und Tier. Freud sah keinen Ausweg, der Aggression wirkungsvoll entgegentreten zu können, ebensowenig, daß Kriege vermieden werden könnten. Nach seiner Auffassung müssen Aggressionstriebe in nutzbringende Bahnen gelenkt werden, um keinen Schaden anzurichten.

Ethologische Auffassung

Konrad Lorenz versucht zu belegen, daß die Aggression Vorteile hat und im Dienste der Arterhaltung steht. Er versteht unter Aggression ...zunächst einen auf Artgenossen gerichteten Kampftrieb von Tier und Mensch ...(zit.bei [46], S.14). Auch er nimmt wie Freud an, daß der Trieb oder Instinkt angeboren ist.

Im Unterschied zum Menschen verfügen aggressive Tiere über Tötungshemmungsmechanismen, die die Folgen der Aggressionen mildern sollen. Infolge Unterwerfungsgesten des Unterlegenen bricht der Überlegene den Kampf ab. Der Mensch verwendet in zunehmendem Maße Fernwaffen, so daß er nicht in die Lage gebracht wird, Unterwerfungsgesten seines Gegners wahrzunehmen, und er dadurch das Überleben seiner Art gefährdet.

Seiner Meinung nach werden aggressive Energien vom Organismus aufgebaut, stauen sich auf und suchen einen Stimulus, der sie zum Ausbruch bringt. Wenn dieser Reiz ausbleibt, so kann aggressives Verhalten auch spontan auftreten. Er folgert, daß es demnach besser ist, rechtzeitig dem Aggressionstrieb Befreiungsmöglichkeiten anzubieten. Er schlägt beispielsweise ''Sport''vor, eine Art ritualisierter Kampf, der sowohl in aktiver als auch in passiver Form eine Aggressionstriebabfur ermöglicht.

An seiner Theorie ist jedoch zu kritisieren, daß seine Analogieschlüsse von Tieren auf den Menschen nicht aufrechtzuerhalten sind. Ebenso erscheint die Abreaktion mittels Beobachten aktiver Sportarten o.ä. fraglich. Untersuchungen von Lernforschern beweisen das Gegenteil seiner Vermutung- Aggressionsbereitschaften werden durch Zuschauen eines Fußballspiels eher erhöht als verringert.

Der Verhaltensforscher Eibl-Eibesfeld erkennt an, daß es sich bei Aggressionen angeborene Anteile handeln kann; er vermutet aber auch erzieherische Einflüsse, sowie komplexe Zusammenhänge der beiden Faktoren.

Lerntheoretisches Modell-aggressives Verhalten als Ergebnis von Lernprozessen

Lernen am Erfolg und Verstärkung
Lernen bedeutet einen bleibende Verhaltensänderung aufgrund von Erfahrung. Erfährt ein Mensch, ...daß er seine Ziele unter Einsatz von Aggressionen besser erreichen kann, wird sich seine Bereitschaft steigern, zur Durchsetzung seiner Wünsche auch zukünftig aggressive Verhaltensweisen einzusetzen ... ([75], S.163). Das bedeutet, daß aggressive Verhaltensweisen, die zum Erfolg führen und vielleicht zusätzlich von außen (durch Erwachsene) noch verstärkt werden, sehr wahrscheinlich wieder angewendet werden , um angestrebte Ziele zu erreichen. So kann aber auch davon ausgegangen werden, daß sich solche Verhaltensweisen verringern, wenn Verstärkungen und Erfolgsrückmeldungen ausbleiben.

Lernen am Modell (Imitationslernen)
Es wird vermutet, daß ein großer Teil des aggressiven Verhaltens durch Beobachtung erlernt wird und auf eine Art ... Identifikation mit dem Aggressor oder Schutzidentifikation ... ([46], S.32) zurückzuführen ist. Albert Bandura liefert den Beweis durch zahlreiche Experimente, daß auch Filme und Zeichentrickfilme Modellfunktion haben. Das Kind muß also keinen unmittelbaren emotionalen Bezug zum Modell haben, um Verhalten zu imitieren:

Im Experiment zeigte er Vorschulkindern einen Film, in dem ein Erwachsener sich sehr aggressiv gegenüber einer Gummipuppe verhielt. Dieser versetzte ihr Fußtritte, Boxhiebe u.ä., und unterstützte seine Attacken mit rohen Ausrufen wie ''Schlagt sie nieder! Peng! Haut ihr auf die Nase!''. Die Szenendauer betrug 9 Minuten. Jedes Kind wurde danach in einem Raum allein gelassen, in dem sich neben anderen Spielsachen auch eine Gummipuppe befand. Es konnte beobachtet werden, daß Kinder dazu neigten, die zuvor gesehenen aggressiven Handlungen des Erwachsenen nachzuahmen, während bei einer Kontrollgruppe dieses Verhalten nicht zu beobachten war (vgl.[75], S.163ff).

Wenn es auch naheliegt, so dürfen dennoch keine verallgemeinernde Schlüsse aufgrund der Anlage des Experimentes gezogen werden.

Übertragen auf Gewaltdarstellungen im Fernsehen kann als sicher bewiesen gelten, daß diese die Aggressionen bei solchen Kindern erhöhen, deren Aggressionsniveau bereits primär relativ hoch ist. Man geht auch davon aus, daß solche Kinder häufiger derartige Filme anschauen als weniger aggressive Kinder und sie auf mediale Gewaltdarstellung in zunehmendem Maße mit ihrem bereits vorhandenen, aggressiven und antisozialen Verhaltensbereitschaften reagieren (vgl.[75]). Das am Modell beobachtete Verhalten muß nicht sofort umgesetzt werden, sondern kann gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden, und somit völlig getrennt von der Beobachtungssituation sein.

Wirkung von Gewaltdarstellungen als Modell

Bandura resümiert, ...daß Gesellschaften, die anerkannte aggressive Vorbilder (Modelle) bieten, wahrscheinlich aggressive Kinder hervorbringen werden. ... (zit.bei [46], S.32ff.). Gewaltdarstellungen können somit zu einem Erwerb neuer, vorher nicht beobachteten Verhaltensweisen führen; sie können die Hemmschwelle gegenüber latent vorhandener aggressiver Verhaltensweisen herabsetzen und zu einer Abstumpfung und Desensibilisierung gegenüber Gewalt führen.

Frustrations-Aggressionstheorie

Sie erklärt ansatzweise Bedingungen für das Auslösen von Aggressionen.

Als Frustrationen können nach Dollard und Miller jede Einschränkung eines Bedürfnisses bzw. Störung einer zielgerichteten Aktivität bezeichnet werden. Der primäre Reiz oder Auslöser für Aggressionen ist oft eine Frustration. ... Frustration ruft Erregungen zu einer Reihe verschiedener Reaktionen hervor, von denen eine die Erregung aggressiver Tendenzen ist ...([46], S.27). Somit sind nicht immer die Frustrationen Ursachen von Aggressionen, da eine Frustration abhängig ist von der subjektiven Bewertung einer frustrierenden Situation. Oft können Wut und Zorn nicht an die für die Frustration Verantwortlichen ausgelassen werden, so daß Ersatzobjekte das Ziel aggressiver Handlungen sind und eine Verschiebung der Gefühle stattfinden muß.

Aggressionen sind nicht immer zu beobachten, sondern können auch in der Phantasie oder im Traum ausgelebt werden. Ebenfalls reagieren nicht alle Menschen immer aggressiv auf Frustrationen.


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Sat Aug 19 17:12:38 CEST 2000