Prof. Dipl.-Geol. Jürgen Teubert
Bautechnische Beratungen
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Rheologie von Baustoffen

Workshop und Kolloquium an der FH Regensburg, Februar 1997

Rheologie am Bau immer wichtiger

Vor 30 Jahren wurde begonnen, mittels rheologischer Messungen den Baustoff Beton hinsichtlich der Verarbeitunseigenschaften in den Griff zu bekommen. Dazu wurden verschiedene Verfahren entwickelt, die sich allerdings in der Praxis nur schwer durchsetzen konnten. Das lag zum einen daran, daß diese Verfahren ein neues Materialverständnis erforderten, was nicht alle Fachkräfte nachvollziehen konnten und zum anderen daran, daß sich in der Bauindustrie die Qualitätskontrolle und Forschung nur noch auf die vom Gesetzgeber geforderten Prüfungen beschränkte, so daß Innovationen hier über Jahrzehnte nicht mehr möglich waren. Nun aber scheint doch Bewegung in die Sache zu kommen, zumal der Handlungsdruck durch zunehmend aufwendigere Konstruktionen und sich häufender Bauschäden stärker wird. Auch für die Hersteller von Trockenmörtel, Fließestrich und Bauchemie werden rheologische Meßverfahren immer wichtiger.



Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen veranstaltete die Fachhochschule Regensburg zum sechsten Mal in Folge einen Workshop mit Kolloquium zum Thema: Rheologische Messungen an mineralischen Baustoffmischungen. In einem eintägigen Laborworkshop wurde die Anwendung verschiedener Meßgeräte im Baustofflabor durch praktische Versuche vermittelt. Die Workshopteilnehmer konnten sich dabei in die Anwendungsbereiche Grundlagen der Rheologie, Messungen an Betonmörteln, Messungen an Putzen und Messungen am Frischbeton einarbeiten.



Sechs Referenten berichteten am Kolloquium über die neuesten Erkenntnisse aus Industrie und Forschung. Wir geben hier die Kurzfassungen der Vorträge wieder:



Scherbeanspruchung von Zementleim

Herr Dipl.-Ing. H.-J. Keck von der Universität GH Essen, IBPM Institut für Bauphysik und Materialwissenschaft, berichtete von der Modellvorstellung vom Verhalten der Zementleimstruktur unter Scherbeanspruchung. Das Verhalten des Zementleims unter Scherbeanspruchung wird durch die Wechselwirkung der folgenden drei Einflüsse bestimmt:

Je nach Flockungsgrad (Mengenverhältunis von Agglomeraten zu Einzelpartikeln), Belastungshöhe und -fortschritt der Hydratation ergibt sich ein bestimmter Strukturzustand, der eine Art Gleichgewicht zwischen Bildung und Zerstörung von Agglomeraten darstellt. Dabei bestimmen Strukturzustand und Belastungshöhe den Scherwiderstand. Eine Variation der Belastung führt zwangsläufig zu einer Änderung des Strukturzustands, indem sich der Flockungsgrad der neuen Belastung anpaßt. So werden bei Belastungserhöhung Agglomerate zerstört und der Scherwiderstand fällt ab. Dagegen über wiegt bei Belastungssenkung die Agglomeratbildung und der Widerstand nimmt zu. Folglich spiegelt der Widerstandsverlauf über die Zeit unter konstanter Scherbeladunt die Veränderung des Strukturzustands wieder.



Dickstoffsuspensionen

Dr.-Ing. Hans-Volker Wömpner von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, sprach über Untersuchungen an Dickstoffsuspensionen aus Wasser, Salz, Reststoffen (d50 = 50 mm) und Shredder (d50 = 4 ... 6 mm). Es wurden Untersuchungen mit einem viskomat PC (Mörtelpaddel und Abstreifer) und einer Rohrförderanlage mit Rohrabschnitten unterschiedlicher Durchmesser durchgeführt.

Für nicht mit Shredder beladene Dickstoffsuspensionen zeigen sich beim Rohrtransport keine merkbaren Wandgleiterscheinungen. Das Fließverhalten ist durch das Binghammodell mit den Parametern Fließgrenze t0 und Binghamviskosität hB beschreibbar. Da der viskomat PC mit dem Mörtelpaddel kein definiertes Schergefälle besitzt können die Parameter scheinbare Fließgrenze g und scheinbare Viskosität h dabei nicht unmittelbar übertragen werden.



Mit Shredder beladene Dickstoffsuspensionen zeigen beim Rohrtransport Wandgleiterscheinungen. Die Vergleichsauswertung erfolgte bei unterschiedlichen Beladungsanteilen zwischen den Rohrkennlinien (Dp= (v)) und den im viskomat PC gemessenen Drehmomentverläufen (M = f(N)). Dabei zeigt sich eine gute Übereinstimmung zwischen beiden Verfahren. Der als Referenzgerät eingesetzte viskomat PC könnte im vorgestellten Anwendungsfall bei ähnlichen Stoffeigenschaften die Material- und zeitaufwendigen Rohrversuche drastisch reduzieren.



Frischbetoneigenschaften abhängig vom Zement

Frau Dr.-Ing. Monika Helm vom Technologiezentrum, Wachau, hat sich in den letzten Jahren verstärkt mit einer wichtigen Frischbetoneigenschaft, der Verarbeitbarkeit befaßt. Dabei konnte die Abhängigkeit zwischen rheologischen Mörteleigenschaften und Eigenschaften des Frischbetons aufgezeigt werden, die im Hinblick auf die Betonprojektierung genutzt wird.



Mit dem viskomat PC wurden Zemente verschiedener Hersteller untersucht. Verwendet wurden dabei Zementmörtel bei einem Füllungsgrad (Volumenanteil Sand im Zementleim) von fV = 0,8 und einem Wasser-Zement-Wert w= 0,45 mit einem Normsand (nach EN 196 Gößtkorn 2 mm). Die scheinbare Fließgrenze g und die scheinbare Viskosität h wurde bei 4, 40 und 80 Minuten erfaßt. Begleitend dazu erfolgten die Bestimmung des Ausbreitmaß mit dem Haegermanntisch und die Erfassung der Zementfestigkeit nach 2, 7 und 28 Tagen.



Trotz einer sehr hohen Gleichmäßigkeit der Festigkeiten nach 28 Tagen waren die Zemente in ihrem rheologischen Verhalten sehr unterschiedlich. Es konnte eine gute Korrelation zwischen der scheinbaren Fließgrenze und dem Ausbreitmaß gefunden werden. Zemente mit einer hohen Standardabweichung der relativen Fließgrenze nach 4 Minuten weisen auch einen erheblichen Zuwachs der Standardabweichung bei 80 Minuten auf. Die Streuung zeigt sich ebenso bei den Ausbreitmaßen. Aus der Kenntnis der scheinbaren Fließgrenze lassen sich Rückschlüsse auf den Wasseranspruch ableiten. Gerade diese Abhängigkeit ist, z. B. beim Austausch von Zementen in den Betonrezepturen, für die Betonprojektierung von wesentlicher Bedeutung.



Wirkunsmechanismen von Betonzusatzmitteln

Dr. Spanka vom Forschungsinstitut der Zementindustrie, Düsseldorf, befaßte sich in seinem Vortrag mit den Wirkungsmechanismen verflüssigender Betonzusatzmittel. Die Verarbeitbarkeit von Frischbeton, seine Konsistenz und sein Zusammenhaltevermögen werden beeinflußt durch den Kornaufbau des Fein- und Grobzuschlags sowie durch Menge und Fließfähigkeit des Zementleims. Dabei ist besonders die Wirkung von von Betonzusatzstoffen und Betonzusatzmitteln zu berücksichtigen. Im Vordergrund der Arbeit stehen Untersuchungen über die Wirkung verflüssigender Zusatzmittel auf die Fließfähigkeit von Zemetleim sowie von Leimen aus Zement-Flugaschemischungen oder aus inerten mehlfeinen Stoffen wie Quarzmehl. Anhand der Zementleimversuche sowie von Versuchen mit mit inerten Mehlkornsuspension wurde ein Modell zur Beschreibung der von verflüssigenden Betonzusatzmitteln verursachten physikalischen Wirkungen erarbeitet. Mit diesem Modell kann einerseits die verflüssigende Wirkung dieser Mittel, andererseits auch deren möglicher ungünstiger Einfluß auf Überdosierungen beschrieben werden. Auf der Grundlage des Modells lassen sich Regeln ausarbeiten, wie eine optimale Wirkung von Betonverflüssigern und -fließmitteln erzielt werden kann, um Beton mit hohem Zusammenhaltevermögen und geringer Wasserabsonderung zu erhalten.



Meßregime für Putze entwickelt

Frau Dipl.-Ing. Annette Untergehrer von der FH München sprach über die Entwicklung eines Meßregimes zur Beurteilung der Verarbeitungseigenschaften von Putzen. Dazu wurde ein viskomat PC, sowie ein Haegermanntisch verwendet. Putze verändern ihr Fließverhalten in Abhängigkeit der Zeit und der Beanspruchung. Wenn man im Labor gemessene Werte auf die Praxis anwenden will, ist es notwendig, die Anmischprozedur möglichst gut an die in der Putzmaschine bis zum Verarbeiten an der Wand auftretende Beanspruchung anzunähern. Dazu wurde versucht, die auftretenden Beanspruchungen mittels theoretischer Berechnungen zu ermitteln, wobei allerdings zu viele Annahmen eine sichere Aussage nicht zulassen, zumal auch keine Daten vorliegen, wie die Beanspruchung des Materials im Labormischer aussieht. Deshalb blieb nur der experimentelle Weg. Es wurden verschiedene Putze auf der Baustelle vermessen und der Wassergehalt mittels vermuffeln bestimmt. Die gleichen Putze wurden nun im Labor mit dem gleichen Wassergehalt, aber mit verschiedensten Varianten und Ruhezeiten aufbereitet, bis die Ergebnisse möglichst den auf der Baustelle gemessenen Kurven entsprachen. Daraus konnte ein geeignetes Meßregime entwickelt werden, um Putze praxisgerecht zu testen.



Rheologie von Bindemitteln

Herr Dipl.-Ing. Horst Wolter von der Holderbank Management und Beratung, Schweiz, vermittelte die Rheologie von Bindemitteln, die Meßtechnik und korrelierende Zusammenhänge. Es zeigt sich, daß ein relativ messendes Viskosimeter (viskomat PC mit Mörtel- oder Zementleimpaddel) mit variabler Drehzahl andere Verfahren bei der Entwicklung neuer Zementtypen oder Betonsorten unterstützen und somit den Arbeitsaufwand verkürzen kann. Nachgewiesen werden konnte einerseits eine hohe Korrelation zwischen dem Fließwiderstand g (scheinbare Fließgrenze) und dem Viskositätskoeffizienten h (scheinbare Viskosität) mit dem statischen (Setzmaß) bzw. dynamischen (Flow-Table) Test eines Mörtel oder Betons. Andererseits wurde konstatiert, daß sich, wenn sehr unterschiedliche Materialien kombiniert werden, sich ein mathematisch gesicherter Zusammenhang zwischen den ursprünglich unabhängigen Variablen g und h aufgrund Agglomerationserscheinungen aufbaut.





Auswahl der Zusatzmittel für Putze mit viskomat

Frau Dipl.-Ing. Andratschke von Franken Maxit, Tasendorf, sprach über den Einfluß verschiedener Zusatzstoffe auf die Rheologie von Putzen. Zum Einsatz kommt dabei ein viskomat PC mit Mörtelpaddel, wie er auch in der Qualitätskontrolle eingesetzt wird. Als Meßprofil wird das Standardprofil verwendet, bei dem 10 Minuten eine konstante Drehzahl gefahren wird und danach eine absteigender Drehzahlverlauf, um die scheinbare Fließkurve zu ermitteln. Die Beurteilung der Zusatzmittel erfolgt, gestützt auf hausinterne Erfahrungswerte durch Vergleiche der erhaltenen Momentenverläufe und scheinbaren Fließkurven.



Kolloquium und Workshop 1998 über Rheologie von Baustoffen

Die nächste Veranstaltung über dieses Thema wird am 04. und 05. Februar 1998 an der FH Regensburg (09 41-943 1200) stattfinden. Ansprechpartner ist Prof. Sipple aus dem Fachbereich Bauingenieurwesen.


© Markus Greim, Schleibinger Geräte Teubert u. Greim GmbH, greim@schleibinger.com, 06.11.2001, 10:29,

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