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Vortrag: „Einige Aspekte zum Ansteifen von Portlandzement“


Eberhardt, A. ,Rößler, C. ,Stark, J., FIB Weimar


Die dem Vortrag zugrundeliegenden Untersuchungen befassen sich mit dem Einfluss der Hydratation des C3A, des Sulfatträgers und der Mahlfeinheit auf das Ansteifen von Portlandzement.


In den Grundlagen werden die bestehenden Modelle zum Ansteifen und Erstarren sowie der Hydratation von Portlandzement dargestellt. Anhand eines Strukturmodells und der bekannten rheologischen Eigenschaften von Zementleim wird das Ansteifen vom Erstarren aus rheologischer Sicht abgegrenzt. Dem physikalischen Zusammenhang zwischen der Hydratation von Portlandzement und den rheologischen Eigenschaften des Zementleims wird nachgegangen.


Das Ansteifen des Portlandzementes wird als kontinuierlicher Prozess begriffen, der mit rheologischen Methoden verfolgt werden kann. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Zementleim als kolloidale Suspension, den aktuellen Modellen zum Hydratationsmechanismus und dem Gefügeaufbau. Der Prozess des Ansteifens unterliegt den strukturellen Veränderungen des Gefüges durch die Bildung der Hydratphasen von Aluminat, Sulfatträger, Freikalk und Alkalisulfaten.


Die methodische Vorgehensweise umfasst zum einen die Untersuchung der Hydratationsvorgänge mit den Schwerpunkten Reaktionsumsatz der Klinkerphase Aluminat und Gefügeaufbau (Art und Menge gebildeter Hydratationsprodukte) und zum anderen rheologische Messungen am Zementleim. Im Ergebnis wird der Zusammenhang zwischen dem Hydratationsmechanismus und der Veränderung der rheologischen Eigenschaften von Zementleim bewertet.


Grundlage der Untersuchungen zum Hydratationsmechanismus und dem Reaktionsumsatz ist eine möglichst genaue Charakterisierung der Ausgangsstoffe. Die mineralogische Zusammensetzung des Portlandzementes setzt die entscheidenden Randbedingungen für die Hydratationsreaktionen und den Reaktionsumsatz. Um verlässliche Aussagen über die mineralogische Zusammensetzung der Zemente und Klinker zu erhalten, werden die Ergebnisse verschiedener Methoden zusammengeführt. Der Phasenbestand wird mittels Rietveldanalyse und Berechnung nach Bogue-Taylor ermittelt. Zur sicheren Quantifizierung der Aluminat- und Ferritphase kommt die besonders aussagekräftige Methode der Röntgenphasenanalyse am Salicylsäurerückstand des Zementes zur Anwendung. Der Gehalt an Sulfatträgern im Zement wird mit den Ergebnissen thermischer Methoden (DSC) abgesichert.


Zur Charakterisierung der Hydratationsvorgänge und Strukturveränderungen (Hydratphasenbildung) im Zementleim werden die Ergebnisse folgender Methoden im Kontext diskutiert: Gefügeuntersuchung mittels ESEM-FEG, Isotherme Wärmeleitungskalorimetrie, Röntgenphasen-analyse und Messung der spezifischen Oberfläche nach BET.


Die Gefügebetrachtungen am ESEM-FEG dienen der Identifizierung röntgenamorpher Hydratphasen und ermöglichen die Charakterisierung der strukturellen Veränderungen im Verlauf der Zementhydratation. Als gute Grundlage zur Ergebnisdiskussion anderer Methoden erweist sich die Abgrenzung des Sulfatisierungszustandes des Zementleimes im ESEM-FEG. Unter- bzw. Übersulfatisierung werden anhand der Koexistenz von AFm-Phasen und Ettringit bzw. der Koexistenz von Ettringit und Syngenit, Ettringit und Sekundärgips oder Ettringit, Syngenit und Sekundärgips festgestellt.

Innerhalb der isothermen Wärmeleitungskalorimetrie wird der Reaktionsumsatz an Aluminat anhand der Wärmefreisetzung der AFt- und AFm-Phasenbildung abgeschätzt. Voraussetzung ist die Kenntnis des Sulfatisierungszustandes des Zementleimes und eine Quantifizierung des Freikalkgehaltes im Zement.


Mittels Röntgenphasenanalyse wird der Reaktionsumsatz an Aluminat quantifiziert. Da im Betrachtungszeitraum von 2 Stunden nur geringe Aluminatumsätze vorliegen, werden zusätzliche Informationen zum Reaktionsumsatz aus der Quantifizierung des Hydratphasenbestandes gewonnen.


Die Messung der spezifischen Oberfläche nach BET dient der weiteren Beschreibung des Strukturzustandes der Zementleime. Das BET-Verfahren reagiert sensibel auf die Bildung von Syngenit und folienartigen AFm-Phasen, ist jedoch wenig empfindlich gegenüber Ettringit- und Sekundärgipsbildung. Aus der Zunahme der spezifischen Oberfläche im Hydratationsverlauf wird auf eine steigende Anzahl kolloidaler Partikel in der Zementleimsuspension geschlossen.


Die rheologischen Messungen am Zementleim werden an einem Rotationsviskosimeter mit Rührergeometrie durchgeführt. Der verwendete Viskomat NT der Fa. Schleibinger erweist sich als geeignet, verschiedene Zementleime in ihrem unterschiedlichen Ansteifverhalten zu charakterisieren bzw. messbar zu unterscheiden. Im Untersuchungszeitraum werden die Fließkurven des Zementleims bestimmt und der Scherwiderstand unter kontinuierlicher Scherbelastung aufgenommen. Aus den rheologischen Parametern Fließgrenze und Viskosität wird die Integrale Konsistenz nach Tyrach berechnet.

Zur Bewertung des Ansteifverhaltens unterschiedlicher Zementleime werden zwei Auswertestrategien entwickelt. Zum einen wird der Scherwiderstandszuwachs und zum anderen die Veränderung der Integralen Konsistenz bestimmt. Die Quantifizierung des Ansteifens erfolgt anhand der Veränderung der rheologischen Parameter (bezüglich der Ausgangswerte bzw. der Ausgangskonsistenz), das heißt unabhängig von den absoluten Fließparametern. Dies ermöglicht vergleichende Untersuchungen an Zementleimen verschiedener Zemente und Zementleimen mit unterschiedlichen w/z-Werten.



Die Auswertung der Versuchsergebnisse erbringt folgende Erkenntnisse:


Die methodische Vorgehensweise ist geeignet, den engen Zusammenhang zwischen dem Hydratationsmechanismus und der Veränderung der rheologischen Eigenschaften zu verdeutlichen.


Das Ansteifen von Portlandzement korreliert mit dem Hydratationsfortschritt unmittelbar nach den heftigen Reaktionen der Induktionsperiode und gliedert sich grundlegend in zwei Komponenten.


Komponente 1 - Ansteifen infolge Aluminatumsatz:

Im Verlauf der Aluminathydratation wird im Zementleim Wasser in die Hydratationsprodukte eingebaut und so dem Fließprozess entzogen. Deshalb bewirken Faktoren, die den Aluminatumsatz erhöhen, ein stärkeres Ansteifen. Ein minimales Ansteifen erfolgt in Zementleimen mit optimiertem Sulfatträger, der die Aluminathydratation so stark hemmt, dass nur noch ein Grundumsatz an Aluminat vorliegt. Die Erhöhung der Mahlfeinheit bewirkt auch bei optimiertem Sulfatträger einen höheren Grundumsatz. Eine Untersulfatisierung erhöht den Aluminatumsatz durch eine weniger gehemmte Aluminathydrolyse. Der Zustand der Untersulfatisierung resultiert aus einer unzureichenden Abstimmung des Zementes bezüglich der Mahlfeinheit, der Reaktivität des Aluminats sowie der Menge und Lösungsrate des Sulfatträgers. Kaliumsulfat erhöht den Aluminatumsatz.


Komponente 2 - Ansteifen infolge Strukturveränderung:

Das Ansteifen korreliert mit der Art und Menge der strukturbildenden Hydratationsprodukte. Im Zustand der Untersulfatisierung des Zementleimes werden neben Ettringit folienartige AFm-Phasen gebildet, die Porenlösung physikalisch binden und eine hohe Agglomerationsneigung des Zementleimes bewirken. Bei mechanischer Beanspruchung werden die AFm-Strukturen und gebildete Agglomerate zerstört. Dabei wird physikalisch gebundenes Wasser bzw. Agglomeratwasser freigesetzt und steht dem Fließprozess wieder zur Verfügung.

Da die Aluminathydratation weiterhin beschleunigt verläuft und kontinuierlich neue AFm-Phasen gebildet werden, ist das Ansteifen nur teilweise reversibel. Entscheidend für eine Verminderung des Struktureffektes ist, ob der Sulfatträger das Angebot an Calcium und Sulfat in der Porenlösung insoweit erhöhen kann, dass die Aluminathydrolyse gehemmt wird und im weiteren Verlauf ein Grundumsatz an Aluminat vorliegt.

Im Zustand einer Übersulfatisierung wird neben Ettringit sekundärer Gips und/oder Syngenit gebildet.

Der leistenförmige Habitus von Syngenit und Gips behindert die Verformung des Zementleimgefüges und führt so zu einem Ansteifen. Dieser Struktureffekt wird durch mechanische Beanspruchung sehr stark vermindert. Durch intensives Scheren des Zementleimes werden die elongierten Gips- bzw. Syngenitkristalle zerkleinert. Die Gefügeverformung wird weniger behindert.



Es zeigt sich, dass Faktoren, die den Reaktionsumsatz an Aluminat erhöhen oder die Bildung anderer Reaktionsprodukte als Ettringit bewirken, zu hohen Konsistenzen bzw. einem erhöhten Ansteifen führen.



Im Ergebnis der Untersuchungen kann gezeigt werden, dass die untersuchten technischen Zemente unterschiedlichen Hydratationsmechanismen in Abhängigkeit ihrer mineralogischen Zusammen-setzung und Mahlfeinheit unterliegen und deshalb ein unterschiedliches Ansteifverhalten aufweisen. Darüber hinaus werden Verbesserungsvorschläge zur Abstimmung der Zemente hinsichtlich eines moderaten Ansteifverhaltens abgeleitet.



Weiteres Potential zur Erhöhung der Gleichmäßigkeit der rheologischen Eigenschaften von Zementleim und Beton wird in einer Verminderung des Grundumsatzes der Aluminathydratation im sulfatoptimierten Zement gesehen. In diesem Zusammenhang sollte die Interaktion der reaktions-trägen, orthorhombischen Aluminatmodifikation mit den reaktionsbeschleunigenden Alkalisulfaten Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.


© s.o., v.i.S.d.Tk-Ges.Markus Greim, Schleibinger Geräte Teubert u. Greim GmbH, greim@schleibinger.com, 30.03.2004, 19:50,

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